Pflegevorstellung türkischer und türkisch-stämmiger Migrant_innen der ersten Gastarbeitergeneration

Studie

CarEMi: Pflegevorstellung älterer türkischer und türkischstämmiger Migrant_innen der ersten Gastarbeitergeneration – Anspruch und Wirklichkeit im Versorgungssystem in Zeiten des demografischen Wandels

CarEMi steht für „Care for Elderly Migrants“, zu Deutsch: Pflege von ältere Migrant_innen. Dahinter verbirgt sich die Frage, wie sich die türkischen Mitbürger_innen, die als Gastarbeiter_innen nach Deutschland gekommen sind, ihre Zukunft im Alter vorstellen. Es geht in der Studie darum, wie sie gepflegt werden wollen, um die Bedürfnisse und Erwartungen, wie das deutsche Gesundheitssystem darauf eingestellt ist und wie in Zukunft deren spezielle Bedürfnisse berücksichtigt werden können.

Hintergrund der Studie

In den 1950er bis 1970er Jahren wanderten viele Menschen auch aus der Türkei als Gastarbeiter_innen zum Arbeiten nach Deutschland ein. Viele der in Deutschland Gebliebenen erreichen nun das Rentenalter, so dass in Zukunft mit einem Anstieg der pflegebedürftigen Migrant_innen gerechnet wird.

Türkische Migrant_innen nehmen weniger professionelle Pflegeleistungen in Anspruch [1]. Bisher gibt es kaum wissenschaftliche Studien mit qualitativem Forschungsdesign, die sich mit den Pflegevorstellungen und Bedürfnissen der türkischen Bevölkerung in Deutschland befassen und diese aus unterschiedlichen Perspektiven (Patient_innen, ihre Kindergeneration, Hausärzt_innen, Pflegeexpert_innen) beleuchten.

Ziel der Studie

Wir wollten mit der Studie klären, ob sich die Wünsche von älteren türkischen/ türkischstämmigen Migrant_innen mit den vorhandenen Pflegemöglichkeiten decken oder ob es diesbezüglich im deutschen Gesundheitssystem Verbesserungsbedarf gibt. Aus erster Hand wurde erfragt, wie eine bedarfsorientierte Gesundheits- und Pflegeversorgung für ältere türkische Migrant_innen aussehen sollte. Dazu führten wir Interviews mit älteren Migrant_innen auf Türkisch. Für ein umfassenderes Bild wurde das soziale Umfeld, also Kinder- und Enkelgeneration, wahlweise auf Deutsch oder Türkisch interviewt. Außerdem befragten wir Hausärzt_innen, Vertreter_innen aus Pflegeinstitutionen, dem Gesundheitswesen sowie muslimischen Gemeinden und der Politik. Dadurch sollten nicht nur die Bedürfnisse, Erwartungen und Vorstellungen erfasst, sondern auch aufgedeckt werden, wie diese Eingang in die Praxis finden können oder womit schon gute Erfahrungen gemacht wurden.

Die Studie soll dazu dienen, gemeinsam mit den Betroffenen und den Expert_innen eine an die Bedürfnisse der Migrant_innen angepasste, koordinierte Versorgung im Alter zu ermöglichen. Nur ein bedürfnisorientiertes Pflegeangebot kann eine sinnvolle Versorgung von Betroffenen und deren Angehörigen leisten, von der auch das Gesundheitssystem profitieren kann. Weiterhin sollten Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer übergreifender Versorgungskonzepte nach dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ der Forschungsagenda der Bundesregierung für den demographischen Wandel aufgezeigt werden [2].

Wir legen großen Wert darauf, dass unsere Ergebnisse Anwendung in der Praxis finden. Anhand unserer Transferveranstaltung am 16.03.2016, zu der alle Studienteilnehmer_innen sowie sonstige Interessierte eingeladen wurden, wurde der erste Schritt zur Umsetzung der Ergebnisse gemacht. Die Ergebnisse und die Handreichung wurden für die Pflegekonferenz in Reutlingen und das Konzept „Gesundheitskonferenz“ der Landesregierung Baden-Württemberg zur Verfügung gestellt.

Weitere Elemente des Praxistransfers waren die Ausarbeitung von Handlungsempfehlungen für Hausärzt_innen, ambulante und stationäre Pflegedienstleister_innen und pflegende Angehörige. Dafür wurde eine Handreichung entwickelt. Während der Projektlaufzeit diente CarEMi auch als Plattform zur Vernetzung von beteiligten Akteur_innen aus der Pflege, von (Kultur-)Vereinen und aus der Politik im Raum Tübingen, Reutlingen und Stuttgart.